Freitag, 18. Dezember 2009

Ich esse Kuchen!

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser, und willkommen zum heutigen Grammatik-Häppchen!

Entscheidende Bedeutungsunterschiede beruhen oftmals auf nur minimalen Differenzen in der Formulierung einer Äußerung.
Insbesondere im Rahmen der juristischen Arbeit kommt es andererseits aber regelmäßig darauf an, was ein Sprecher bzw. Verfasser mit einer Äußerung genau gemeint hat. Einmal müssen Normtexte oder Vertragsklauseln ausgelegt werden, ein anderers Mal soll eine Aussage im Rahmen eines Betrugs- oder Beleidigungsvorwurfes interpretiert werden. An Hand dieser Beispiele kann man sich den engen Zusammenhang zwischen Recht und Grammatik, glaube ich, hinreichend deutlich machen.

Das Weitere ist aber beileibe nicht nur für Juristen interessant. Hoffe ich zumindest.

Wie dem auch so, vergleichen wir einmal den Satz "Ich esse Kuchen" mit der Aussage "Ich esse den Kuchen".

Der erste Satz ist durativ, das heißt, er stellt das Andauern der Handlung in den Vordergrund. Man könnte vielleicht sogar sagen, er beschreibt einen Zustand. Es ist beinahe so, als würde man sagen: "Ich bin ein(e) Kuchen Essende(r)". Das klingt zunächst einmal merkwürdig, erscheint aber plausibel, wenn man vergleichsweise den entsprechenden englischen Satz "I am eating" heranzieht.

Unser zweiter Beispielsatz dagegen ist nicht-durativ, er stellt also nicht auf den Verlauf der Handlung, sondern vielmehr auf das Ergebnis ab, nämlich dass der Kuchen dann verschwunden sein wird. Noch deutlicher wäre dies, würde man folgendermaßen formulieren:
"Ich esse den Kuchen auf".

Auffällig ist, dass dieser Unterschied der Aktionsart bzw. des Aspekts in den behandelten Sätzen alleine von der Objektwahl abhängen kann. Im ersten Satz haben wir ein Objekt ohne Artikel, im zweiten dagegen findet sich der bestimmte Artikel.

Nebenbei bemerkt gibt es diese verbale Kategorie der Aktionsart bzw. des Aspekts wahrscheinlich in allen Sprachen. Doch die Mechanismen, mit der sie ausgedrückt wird, divergieren.
Im Russischen und anderen slawischen Sprachen müßte man das Verb im Regelfall mit Hilfe von Wortbildungselementen modifizieren, so ähnlich wie in dem deutschen Beispiel "essen/aufessen".
Im Ungarischen würde sich zusätzlich zur Anreicherung des Verbes mit einer speziellen perfektiven Vorsilbe, vergleiche grob gesagt wiederum "essen/aufessen" und der Hinzufügung des bestimmten Artikels auch noch das Konjugationsmuster des Verbs ändern.
Im Chinesischen existieren, glaube ich, verschiedene sogenannte Komplemente, die den beschriebenen Zweck erfüllen.

Soviel für heute und gegebenenfalls guten Appetit!


Rechtsanwalt Sven Ringhof www.prilaro.de

Freitag, 11. Dezember 2009

Manipulative Fragen

Oberflächlich betrachtet dienen Fragen dazu, Informationslücken zu schließen und das eigene Wissen zu vermehren.

Fragen lassen sich aber auch dazu nutzen, den Gesprächspartner im eigenen Sinne zu beeinflußen.
In vielen Sprachen besteht nämlich die Möglichkeit, Fragen so zu formulieren, dass deutlich wird, ob man eine politive oder vielmehr eine negative Antwort erwartet.

Betrachten wir dazu ein deutschsprachiges Beispiel, das vielleicht im Rahmen einer wirtschaftspolitischen Diskussion vorkommen könnte:

"Sie befürworten doch nicht etwa die Einführung zusätzlicher gesetzlicher Feiertage?"

Durch die Verwendung des Ausdrucks "doch nicht etwa" sowie durch den Verzicht auf die sonst für Fragen vorgesehene Inversion von Subjekt und Prädikat wird deutlich, dass der Sprecher eine verneinende Antwort erwartet. Auf diese Weise wird dem Angesprochenen der Eindruck vermittelt, dass eine andere als die nahegelegte Antwort einer gründlichen Rechtfertigung bedürfe, was in vielen Fällen zur Folge haben könnte, dass die Frage im gewünschten Sinn beantwortet wird.

Eine etwas mildere Variante würde so lauten:

"Befürworten Sie etwa die Einführung zusätzlicher gesetzlicher Feiertage?"

Die für Fragesätze übliche Wortstellung wird hier zwar beibehalten, das Wort "etwa" suggeriert aber in hinreichender Weise die gewünschte Antwort.

Danke und bis zum nächsten Mal!

Rechtsanwalt Sven Ringhof www.prilaro.de

Dienstag, 8. Dezember 2009

Guten Tag, allerseits!

Die meisten von uns beherrschen nicht nur ihre Muttersprache, sondern auch eine oder mehrere Fremdsprachen. Eine Sprache benutzen zu können heißt aber noch nicht zwangsläufig sie auch optimal einsetzen zu können.
Deshalb erweist sich die Beschäftigung mit Grammatik als überaus lohnende geistige Investition. Denn wer die theoretischen Grundlagen der Sprache durchschaut, kann schneller und effizienter formulieren und bringt darüber hinaus den eigenen Standpunkt deutlicher und eindrücklicher vor.
Deshalb will ich mich heute mit einem Phänomen beschäftigen, das einigen vielleicht noch aus dem Lateinunterricht in Erinnerung ist.
Was mich betrifft, so weiß ich noch so einiges aus dem Lateinunterricht, aber, wie ich heute bei einem Blick in den Kalender feststellen mußte, weniger aus dem Religionsunterricht. Heute, am 8. Dezember wird nämlich das katholische Fest "Mariä Empfängnis" gefeiert, und ich war mir zunächst im Unklaren darüber, ob das bedeutet, dass Maria empfangen hat oder aber dass sie empfangen wurde. Und damit wären wir schon bei unserem heutigen Grammatikthema, nämlich dem sogenannten genitivus subiectivus und dem genitivus obiectivus.
Damit hat es folgendes auf sich:
In bestimmten Fällen verbirgt sich hinter einer Genitivkonstruktion ein Aussagesatz. So repräsentiert die Wortgruppe "Mariä Empfängnis" den Aussagesatz "Maria empfängt". Oder vielleicht "Maria wird empfangen"? Also, was nun?
Die Antwort ist sowohl einfach als auch kompliziert:
Rein sprachlich gesehen treffen beide Aussagesätze zu. Kirchlich gesehen bedeutet "Mariä Empfängnis" aber "Maria wird empfangen", also von ihrer Mutter, der Heiligen Anna, und zwar ohne Erbsünde. Der andere Feiertag, an dem es um Mariens eigene Mutterschaft geht, heißt, glaube ich, "Mariä Verkündigung", aber, wie gesagt, ich bin nicht sehr fromm und meine Erinnerungen an den Religionsunterricht sind ein bißchen verblaßt.
Daher will ich die Theologie jetzt wieder den Fachleuten überlassen und mich wieder der Sprache zuwenden.
Ich habe vorher die Begriffe "genitivus subiectivus" und "genitivus obiectivus" erwähnt. Ersterer repräsentiert einen Aussagesatz, der im Aktiv steht, in unserem Beispiel "Maria empfängt", letzterer dagegen einen passiven Satz, "Maria wird empfangen".
Zu Zweifelsfällen bzw. Zweideutigkeiten wie im Marienbeispiel kann es nur kommen, wenn der Genitivkonstruktion ein transitives Verb, also ein Verb, das ein direktes Objekt zu sich nehmen kann, zugrundeliegt. Verb? Wo ist denn in "Mariä Empfängnis" ein Verb zu finden, könnte man sich fragen. Nun, das Wort "Empfängnis" ist im Grunde genommen ein substantiviertes Verb, und dieses Verb, nämlich "empfangen" ist transitiv, weil man sagen kann "jemanden oder etwas empfangen". Eine weitere Folge der Transitivität ist, dass das solche Verben in das Passiv versetzt werden können. Man kann sagen "jemand oder etwas wird empfangen".
Ein Gegenbeispiel wäre "der Schlaf des Schiedsrichters". Hier liegt eindeutig ein
genitivus subiectivus vor. Denn "der Schlaf des Schiedsrichters" bedeutet ausschließlich, dass der Schiedsrichter schläft, nicht etwa aber, dass er geschlafen wird. Denn "schlafen" kann kein direktes Objekt zu sich nehmen, kein Passiv bilden, ist deshalb intransitiv und kann nur zu einem genitivus subiectivus führen.
Vielen Dank für Ihr Interesse und einen schönen Tag oder Abend!
Ich persönlich muß mich von dieser multidisziplinären intellektuellen Anstrengung jetzt durch eine Hinwendung zur Fußball-Championsleague erholen. Bis zum nächsten Mal!

Rechtsanwalt Sven Ringhof www.prilaro.de

Dienstag, 1. Dezember 2009

Vorsicht bei Adjektiven!

Verbale Kommunikation scheitert manchmal daran, dass einem der Gesprächspartner einen Nebensinn unterstellt, den man nicht gemeint hat, der sich aber objektiv aus den verwendeten Formulierungen herauslesen lassen könnte.

Betrachten wir den folgenden Beispielsatz:

"Die gierigen Manager sollten entlassen werden!"

Dieser Satz kann entweder so verstanden werden, dass der Sprecher alle Manager für gierig hält, oder aber so, dass es seiner Ansicht nach hinsichtlich der Gesamtheit dieser Berufsträger eine Untergruppe gibt, deren Mitglieder gierig sind.
Im ersteren Fall würde das Adjektiv "gierig" das Substantiv, nämlich "Manager" eigentlich gar nicht näher bestimmen, sondern nur eine als diesem implizit gedachte Eigenschaft gesondert herausheben, man könnte auch von Pleonasmus sprechen, während im letzteren Fall das Substantiv vom Adjektiv tatsächlich näher bestimmt, d.h. eingeschränkt wird.

Glücklicherweise verfügt das Deutsche im Gegensatz zu etlichen anderen Sprachen (z.B. Tschechisch, Russisch) über bestimmte und unbestimmte Artikel, aber auch über die Möglichkeit, diese wegzulassen. Daher kann der Beispielsatz für den Fall, dass man zum Ausdruck bringen will, dass man Manager nicht pauschal für gierig hält, leicht durch die Auslassung des Artikels präzisiert werden:

"Gierige Manager sollten entlassen werden!"

Herzlich willkommen!

Herzlich willkommen, liebe Leserinnen und Leser!

In diesem Blog möchte ich mich mit dem Thema Sprache beschäftigen.
Es sollen verschiedene Sprachen sowie verschiedene Aspekte, zum Beispiel, Grammatik, Stilistik u.v.m. erörtert werden.
Als Jurist interessiere ich mich besonders für dieses Thema, denn was ist Recht anderes als in Worte gegossene (Staats-)Gewalt?

Mehr von mir und über mich finden Sie hier:
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